André Werner | Medienkünstler

Strategien gegen das Verschwinden des Wirklichen.

Am Anfang seines Studiums an der Hochschule der Künste Berlin (HdK) sieht sich A. in der Tradition von figurativen Künstlern wie Egon Schiele. Das Aktbild als Medium, um das eigene Menschenbild zu formulieren, steht im Zentrum zahlreicher großformatiger Gemälde. Noch während des Studiums stellt A. dieses klassische Konzept bildender Kunst in Frage, hinterfragt die Bedeutung des abgebildeten Subjekts.

“Mir wurde klar, dass es wesentlich mehr abgebildete als echte Menschen gab. Echte Personen abzubilden erschien mir zunehmend obsolet. Wesentlich relevanter war die Auseinandersetzung mit den vorhandenen Bildern. Sie bestimmten die Wirklichkeit mehr als alles Reale.”

Diese Auseinandersetzung mit den existierenden Bildern findet zunächst mit den Mitteln der Malerei statt.
Fotografien aus Illustrierten und Magazinen, Werbung, Flyer dienen, auf Papier aufgetragen, als Ausgangspunkt für eine radikale Konfrontation mit dem Bild, geführt mit den Mitteln des abstrakten Expressionismus. Übermalungen, Zerkratzungen, Zerstörungen sind dabei nicht nur malerische Kommentare, sondern stellen die erstaunliche Widerstandskraft der Bilder, ihre Überlebensfähigkeit in den Mittelpunkt.

Diese bildimmanente Kraft erfahrbar zu machen, wird zu einem zentralen Anliegen in den Arbeiten von A. Neben Übermalungen nutzt A. die Methoden der Bildreproduktion, um einen Prozess der Wiederbelebung des Bildes in Gang zu setzen.  Durch die Nutzung von Fotokopierern, Polaroids, Fernsehern und Videorecordern entstehen so Bilder von Bildern.

In dieser Bildmaschinerie nehmen Fernseher und Videorecorder bald eine bestimmende Rolle ein. Auf dem Weg der Bildfindung entstehen zahllose Videobänder, Abfilmungen von Abfilmungen, eine Sammlung neuer Bilderwelten,  die in Form von Multi-Channel Videoinstallationen als eigenständige Arbeiten gezeigt werden.

Die Videokamera dient in vielen Installationen nicht nur als Mittel der Bildreproduktion, vielmehr wird das in Realzeit generierte Bild, der direkte Dialog zwischen Kamera und Fernseher, in Form von closed-circuit Installationen, zu einem zentralen Thema der Arbeiten.

Diese Endlosschleifen der Bildgenerierung, alchemistischen Anordnungen gleich, die immer neue Bilder aus sich selber schaffen, verweisen dabei auf eine Kernqualität der uns umgebenden Bildwelten. Die Autopoiesis der Bilder, die sich ständig selbst reproduzieren.

Um als realer Mensch aus Fleisch und Blut auf diese Übermacht der Bilder reagieren zu können, ist es notwendig den mit der Macht der Bilder einhergehenden Kontrollverlust über die eigene Person zu akzeptieren und Wege des Dialoges mit den Bildern zu finden. Entsprechend behandelt A. die Protagonisten seiner Bilder wie eigenständige Wesen. Vorsichtig nähert er sich den Bildern als seien sie Geister, die er respektvoll behandelt, im Bewusstsein ihrer Ahnen, jener Menschen, die einst Ursprung des Bildes wahren. Eine Arbeit nicht ungleich der eines Schamanen, der die Verbindung zu einer anderen Dimension, einer parallelen Welt, herstellt.

Indem A. den Bildern ihre Freiheit zurückgibt, sie aus ihren kontextuellen Zwängen befreit und ihnen Raum verschafft, ermöglicht er einen neuen Blick auf das Verhältnis von uns zu unseren Abbildern. Nicht nur als Zeichen des Respektes, sondern auch als Chance, die Beziehung zu unseren digitalen Doubles aktiv zu gestalten. In diesem Sinn werden die Arbeiten von A. zu einer Strategie gegen das Verschwinden des Wirklichen.

 

Matou de Marsalle